Der Flügelschlag des Schmetterlings im Reich der Dinge

fagetti kommunikation   •   März, 2018

Welche Kommunikationsdynamiken müssen spielen, damit ein Produkt, eine Idee, ein Thema oder eine Dienstleistung im Markt Fuss fasst und sich getragen von Eigendynamik verbreitet? Das ist die Frage, um die sich unsere Arbeit immer wieder dreht. Bis heute kann quasi der Flügelschlag eines Schmetterlings ausreichen. Was es dazu braucht? Ein Ding, das nicht vom Karren fällt, weil es die zig-te Antifaltencreme, der hundertste Supertuscan, die 1000ste Golfreise nach Mallorca, die immergleiche politische Angstmacherei oder ein weiterer Vortrag zum Thema Digitalisierung ist.

Also keine Produkte, die sich heute in ihrer meist ordentlichen bis guten Qualität kaum mehr unterscheiden. Sondern etwas, das «wirklich was bringt», echte Convenience vielleicht, wirklichen Wissenszuwachs, ein bisschen Glück oder einfach nur übertroffene Erwartungen, weil die vorher nicht ins Unendliche hochgeschraubt wurden.

Das Handy ist so ein Ding, auch leistungsstarke Internetverbindungen. Träfe politische Reden zur richtigen Zeit oder eine unbelastete Reise mit kleinem Gepäck. Das Auto war damals auch so was oder Baumwollhosen. Das Marketing drum herum war in erster Linie und vor allem Information – schön aufgemacht und passenden Botschaftern in den Mund gelegt. Zu keinem Zeitpunkt musste Marketing nur mit hyperemotionalisierter (und faktenfreier?) Kommunikation ins limbische System eindringen, und uns – degradiert zu instinkt- und triebgesteuerten Neandertalern – zum Kauf  bewegen oder überreden.

Welche Produkte, Ideen, Themen und Dienstleistungen haben heute das Potential, getrieben vom Windhauch eines Flügelschlags an Höhe zu gewinnen und weitergetragen zu werden?

Um das zu erkennen, lohnt sich der Blick in «The Empire of Things». Der Blick in dieses Reich – der englischsprachige Titel des Buches ist weit treffender und unideologischer formuliert als jener der deutschsprachigen Ausgabe («Die Herrschaft der Dinge») – nimmt uns mit auf eine historische Reise und veranschaulicht leichtfüssig die Komplexität von Kommunikationsdynamiken. Da war der Run auf Porzellan (Ming) oder das erste massenproduzierte Produkt, das englische Tuch aus indischer Baumwolle (Achtung Globalisierung!), das damit auch den Beginn des industriellen Zeitalters und einer beispiellosen Demokratisierung unserer Länder kennzeichnet.

Der nüchterne Blick in die Vergangenheit lohnt sich vor allem auch für jene, die – lokal velofahrend und global flugzeugfliegend – die Welt der Dinge gerne politisch-ideologisch verteufeln. Denn die Geschichte des Konsums zeigt, dass sie mit jener der Industrialisierung und Demokratisierung verknüpft ist und möglichst viele Produkte und Dienstleistungen zu bezahlbaren Preisen verfügbar machen möchte. Geschirr, Kleidung, Nahrungsmittel, Gesundheitsprodukte, aber auch Sicherheit, Gesundheit, Bildung. Damit also ein urdemokratisches Anliegen umsetzt.

Klar, die Vorstellung, dass Frauen vor etwas mehr als hundert Jahren auch mal in Ohnmacht fielen, wenn sie in einem der ersten Warenhäuser Kommissionen tätigten, kann amüsieren, zeigt aber auch, was Konsum auch war (und immer noch sein kann) – Freiheit und Selbstbestimmung.

Wir Kommunikatiönler bekommen mit dieser Schrift auch vor Augen geführt, dass wir es uns mit «klotzen statt kleckern» oft einfach machen konnten. Und den Windhauch vom Flügelschlag des Schmetterlings nicht wahrnehmen. Kommunikation muss heute smarter sein. Mit weniger Übertreibungen und mehr Geduld. Vertrauen bilden statt Angst machen. Neandertaler sind ausgestorben, Schmetterlinge nicht.