Wird jetzt alles neu und anders?
fagetti kommunikation • Mai, 2020
Alle reden von Transformation, von the new normal, vom Neuen und ganz anderen. Jetzt mit Corona verändere sich die Welt, in wenigen Jahren soll alles anders sein. Tut sie das? Blicken wir auf Kommunikation und Werbung, zeigt sich eher, was wir bereits wissen: das Rad ist schon erfunden, was sich ändert, ist der Dreh.
Einige Behauptungen:
Corona kann ein Beschleuniger sein und wenn wir es jetzt mit Stützen und Retten nicht übertreiben, wirkt der Umgang mit der Pandemie bereinigend und lässt das, was nicht mehr funktioniert, verschwinden. So kann dieses globale Atemholen zweifellos viel bewirken und Innovationen, die den Namen auch verdienen, Chancen geben.
Digitalisierung? Endlich kann sie mehr sein als Automatisierung und Technologisierung. Also mehr als das alte Arbeiten mit neuen Geräten. Ein Beispiel: In zoom-Meetings fokussiert man tendenziell stärker auf die Sache, viel Status-Gedöns fällt aus Mangel an Möglichkeiten weg und erlaubt so vielleicht eine bessere (weil sachbezogenere) und schlankere Entscheidungsfindung.
Print- oder Digital-Produkt? Wenn wir künftig tatsächlich mehr Homeoffice haben werden (was heute noch niemand sagen kann), ist das eine Chance für beide. Werbung in den digitalen Kanälen und in Print-Zeitschriften zum Beispiel. Was dann unter die Räder kommt, ist die sogenannte outofhome-Werbung. Wozu Werbung am Bahnhof und in öVs buchen, wenn sie niemand sieht?
YouTube statt TV? Haben wir doch schon. Auch hier also eher Kontinuität in der Veränderung. Werbung verschiebt sich weiter weg von klassischen im TV vor den Hauptnachrichten ausgestrahlten Spots zu Bewegtbild-Werbung auf YouTube, auf Facebook etc.
Mehr Content, mehr Storytelling? Weniger Produktwerbung, weniger Information? Content-Marketing ist auch Information. Ein Spital, das mit Ärzte-Interviews zu medizinischen Problemen und Behandlungen auf vielbesuchten und passenden Internetportalen auf sein Angebot aufmerksam macht, verbreitet Informationen. Auch wenn es damit gleichzeitig für sein Angebot Werbung macht.
Entschleunigung? Konsumverzicht? Nachhaltigkeit? Natürlich, der Konsum kann, darf und soll hinterfragt werden. Ob der Mensch die Freude an schönen Dingen, auch sinnlosen also nicht systemrelevanten, nun einfach verliert, darf bezweifelt werden. Vielen ist auch nicht bewusst, wieviel Innovation durch wahre Verschwendung, durch ein Schöpfen aus dem Vollen und aus Liebe zum Schönen entstanden ist.
Wir sollten also weiterhin … zum Beispiel Blumen kaufen. Und wenn der Blumenhändler um die Ecke erzählt, dass er nach den ersten ein, zwei Wochen Lockdown vor lauter Däumchen drehen fast «die Wände hoch ging», spricht das für ihn. Er ist Unternehmer und will was unternehmen. Und nicht zu lange rumsitzen und entschleunigen. Wer Ideen hat, will machen, will tun können. Schliesslich gibt es nichts Gutes. Ausser man tut es.
Dann noch der Backlash für die Emanzipation. Wegen stayhome wird nun wieder mehr den Frauen das Putzen, Kochen und Kinderversorgen übertagen? Es kann sein, dass kurzzeitig während des Lockdown im Homeoffice von Familien eher Frauen diese Arbeiten übernahmen. Längerfristig wird das kaum was daran ändern, das Frauen heute und in Zukunft in vielen Bereichen des Lebens eine andere Rolle spielen. Glücklicherweise – aus individueller Sicht für Männer und Frauen und mit Blick auf die Volkswirtschaft. Wer Corona als Emanzipations-Backlash sehen will, betreibt womöglich sogar eher wishful thinking. Wer heute unter Einbezug relevanter Faktoren wie Demografie etc. die Ausbildung und Arbeit von Frauen nicht als «systemrelevant», um dieses blöde Wort zu gebrauchen, in einem komplexeren Sinn begreift, hat wenig verstanden und nicht das Wohl unserer Gesellschaft und unseres Landes im Blick.