Vom Wert der Public Relations und warum die jüngste Arie in der Raiffeisen-Oper ein Sirenengesang ist

fagetti kommunikation   •   November, 2018

Die Klage über die qualitative Verluderung der Medien ist so alt wie Klage über die nutzlose Jugend. Nicht wenige Medienleute tendieren dazu, Fehler und Unzulänglichkeiten auswärts zu orten. Immer mehr PR-Leute stünden immer weniger Journalisten gegenüber. Weswegen Journalisten tendenziell stärker auf PR-Inhalte zurückgriffen. Hmmm. Was heisst das? Ist PR gleichbedeutend mit schlechten Medienberichten? Sind Journalisten gedankenlose Wasserträger? Ist Public Relations die Superlative alles «Bösen»?

Unsere Erfahrung zeigt, dass gute Public Relations gerade die klugen Köpfe überzeugt. Gute PR informiert und manipuliert nicht, sie macht auf Zusammenhänge aufmerksam, kennt Wirkungsweisen von Führungsentscheiden und hat den Mut, das auch unter Druck auf Führungsetagen klar zu äussern und zu vertreten.

Da ist der Journalist, der nicht viel weiss von der Funktionsweise eines Unternehmens. Ein Gespräch über Prozesse und Abläufe, über Veränderungen und Entscheide kann dann viele gedankliche Stolpersteine wegräumen. Oder da ist das jüngste Kapitel in der Raiffeisen-Oper, das Drama mit der neuen Liebe von Patrik Gisel. Zur Erinnerung: die Partnerin von Pierin Vincenz wurde in eine verantwortungsvolle Position gehievt und konnte dort jahrelang wirken. Niemand schien sich daran zu stören. Patrik Gisel hatte diesen Sommer seinen Rücktritt als CEO auf Ende Jahr bekannt gegeben, jetzt im November wird er wenige Wochen vor dem ordentlichen Weggang sofort entlassen, weil er eine Liebesbeziehung zu einer ehemaligen Verwaltungsrätin der Raiffeisen begonnen haben soll, bevor sie ihr VR-Mandat abgegeben hatte (Gisel bestreitet das). Eine gute Beratung und PR hätte dieses schädigende und peinliche Überreagieren der Raiffeisen-Spitze zu vermeiden vermocht. Das hilft allen. Auch den Medien und ihrer Glaubwürdigkeit.

Nun konnten sie aber wieder eine Raiffeisen-Schlagzeile verbreiten und eine Arie dieser Oper hinzufügen, die mehr einem Sirenengesang gleicht. Der Raiffeisen-CEO wird an den Pranger gestellt. So haben sie vielleicht sogar mitgeholfen, seinen vorzeitigen Abgang in die Wege zu leiten. Hilft das ihrer Glaubwürdigkeit als «tragende Säule» der Demokratie? Nein, es untergräbt sie. Ruhe bewahren, genau hinschauen und klug analysieren ist eine demokratische Pflicht, gerade für die Meinungsbildner in unserem Land. Gewiss, es gehört zum mitunter Schwierigsten, in herausfordernden Situationen die Ruhe zu bewahren und mit kühlem Kopf und scharfem Verstand zu analysieren. Aber auch das gehört zur Pflicht jener, die Verantwortung tragen und tragen wollen. Dass dabei auch Fehler passieren, und das passiert ausnahmslos allen, sollte nicht betont werden müssen, denn darum geht es hier nicht.

Raiffeisen steht nun als Bank da, die im Strudel der Ereignisse müde geworden ist und den Kopf verliert und ihren CEO nur wenige Wochen vor seinem Weggang noch entlässt. Erhöht das das Vertrauen, ihr wichtigstes Kapital, in die Bank? Nein.

Aber Medien und andere können weiter ihren selber produzierten Blödsinn beklagen und dabei so tun, als seien sie die «Opfer» böser Manipulation. Und, offenbar schlecht beratene, Unternehmen drehen sich in Krisen stets weiter hinein in die Negativspirale von Aktion, Reaktion und Überreaktion.

Kluge Köpfe, ob in den Medien oder auf Unternehmensseite, erkennen den Wert guter Public Affairs und Public Relations. Die anderen monieren sich weiter über böse Manipulation, Verluderung der Medienqualität und der Demokratie im Allgemeinen und inszenieren sich als Opfer von Ereignissen, die sie selber – und das auch nicht immer versehentlich – produziert haben.